Die Reportage: Es ist Samstag, der 14. September, ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch. Etwas frisch und windig, aber immer noch schön sonnig. Ich freue mich wie ein kleines Kind auf das heimwerts-Kleinkunstfestival, vor allem, weil es im Slawendorf stattfindet und ich dort als Kind öfter war. Diesmal bin ich erwachsen und selbst Mama von zwei kleinen Söhnen. Aber das macht nichts, ich kann mit ihnen gemeinsam die Welt und das Angebot des Kleinkunstfestivals aus Kinderaugen betrachten.
Gegen 15 Uhr betreten wir das Festivalgelände. Der Eintritt ist frei, was ich sehr begrüße und später erfahre, dass es vielen Besuchern auch so geht. “Das lockt doch mehr Familien an, weil man nicht erstmal durch hohe Eintrittspreise abgeschreckt wird”, so der Tenor einiger Festivalgäste. Ich packe 5 Euro in die Spendenbox, die vorne am Eingang aufgestellt ist. Generell funktioniert dieses Festival auf Spendenbasis. Überall stehen kleine Spendenboxen, Hüte oder Tüten, in die man etwas für die Künstler oder Helfer vor Ort hineinwerfen kann.
Wie sollte es anders sein, rennen meine beiden Jungs direkt zu den Fahrrädern, die im Slawendorf an unterschiedlichen Stellen aufgestellt wurden. Direkt vorne neben dem Eingang steht ein Fahrrad, das durch den Antrieb Seifenblasen produziert. Meine Söhne sind begeistert und ich beobachte, wie es viele Kinder anlockt. Ein ähnliches Prinzip verfolgen die beiden Fahrräder weiter hinten im Dorf, wo man durch eigenen Antrieb eine Carrera-Bahn mit zwei Rennautos antreiben kann. Der Traum vieler Jungs, was man durch die langen schlangen hinter den Fahrrädern immer wieder sehen kann. Auch Mädchen reihen sich mit ein, aber die zieht es auch an andere Stellen.
So erblicke ich einen Stand, an dem man sich Henna-Tattoos auf die Hände und Arme malen lassen kann. Oder ein weiterer Stand mit dem Angebot, ukrainische Puppen selbst herzustellen. Leider lassen mich meine Jungs dort nicht hin, sie haben stets Hummeln im Hintern. Im hinteren Teil des Slawendorfs entdecken wir den sogenannten “Kinderspace”. Hier kann nach Lust und Laune gemalt werden. Während meine Jungs aber weiter rumrennen wollen und das Gelände erkunden, setze ich mich selbst an eine Staffelei und greife zu Farbe und Pinsel. Wer sagt denn, dass Erwachsene nicht auch Kinder sein dürfen? Also male ich eine heimwerts-Vorlage bunt aus und tue später noch etwas Glitzer drauf. Obwohl meine Jungs gar kein Interesse am Malen haben, konnte ich sie am Ende begeistern, mit mir gemeinsam zu malen.
Wo ich meine Jungs dann immer wieder abholen muss, ist der Bereich mit den Velo-Taxis des VCD Brandenburg, der Landesvertretung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Der VCD setzt sich seit 1991 für eine ökologisch und sozial gerechte Verkehrswende in Brandenburg ein. Gemeinsam mit Heiko Hesse als attraktiver Til Eulenspiegel verkleidet, sammelt das Team dort immer wieder Kinder und Erwachsene ein, um Spiele zu spielen und über die Verkehrswende aufzuklären. Einige Helfer vor Ort bieten immer wieder Fahrten mit den Velo-Taxis durch das Slawendorf-Gelände an, was Kinder und Familien sehr genießen. Diese Ecke ist eine Gemeinschaftsaktion von dem Verein Denkmanufaktur, dem VCD Brandenburg, der Technischen Hochschule Brandenburg, den Stadtwerken Brandenburg und der Stadt Brandenburg an der Havel. Die Botschaft: "Straßenraum gemeinsam nutzen!"
Um 17 Uhr zieht mich ein besonders bassiger und experimenteller Sound in den vorderen Bereich des Festivalgeländes und ich bin nicht allein: immer mehr Brandenburger strömen dorthin und versammeln sich um den Künstler Peter Piek, wie um ein Lagerfeuer. Ich bleibe bis zum Schluss seiner Performance. Peter Pieks Musik ist eine Mischung aus eingängigem Songwriting, metaphernreicher Sprache und elektronischen Elementen, geprägt von seiner markant hohen Stimme.
Wie auf jedem guten Festival, ist es natürlich auch hier für mich und die Kinder Pflicht, das kulinarische Angebot vollumfänglich in Anspruch zu nehmen. Ich starte mit einer Bratwurst, gehe dann über zu Crêpes. Hier haben sich die Festivalmacher besonders leckere Kreationen einfallen lassen, zum Beispiel mit Schmand und roten Früchten. Während ich in der Schlange stehe, rufen Kinder: "Guck mal die Luft glitzert!" - damit meinen sie den Zuckerwattenstaub, der durch die Luft fliegt. Die Schlange für Zuckerwatte, Softeis und Popcorn ist stets gefüllt. Dazu gibt es Kuchen, selbstgemachte Windbeutel, die für Begeisterung sorgen, Kaffee natürlich und selbstgemachte Hot Dogs von Schülern des OSZ Flakowski, die das Geld für ihren Abiball sammeln. Eine Bar erfrischt unter anderem mit Garten-Limonaden und anderen Kaltgetränken.
Wäre ich ohne Kinder, wäre ich natürlich zu Neles Yogastunden gegangen, die im hinteren Bereich des Slawendorfs angeboten werden, aber den Weg dorthin finde ich an diesem Wochenende nicht. Dafür lockt mich ein cooler Sound in einen weiteren Bereich zwischen den Hügeln. Eric Mbiakeu vom Verein Open Dreams Brandenburg begrüßt mich voller Freude und erzählt, dass sein Team das hEimWeRTs-Kleinkunstfestival mit interaktiven Workshops zu Hip-Hop, Mode und Karaoke bereichert.
Alle Highlights des Festivals kann ich natürlich nicht mitnehmen, aber umso mehr freue ich mich, als mir plötzlich eine Oase mitten im Slawendorf erscheint. Die Schauspielerin Michelle Schmidt begegnet mir verkleidet als Oase mit einem Schirm, Räucherstäbchen und allem Pipapo, was man eben zur Entspannung braucht. Ihr Highlight: eine Kopfkralle. Es besteht aus einem Haltegriff, von dem mehrere Drähte in gebogener Form abgehen, und wird von ihr verwendet, um die Kopfhaut der Festivalbesucher zu stimulieren und ein angenehmes Gefühl von Entspannung zu erzeugen. Da der Wind ihren Schirm etwas in Mitleidenschaft zieht, sucht sie sich einen festen Platz, wo sie den Besuchern auch Handmassagen anbietet und betont "Eines Tages gehe ich mit meiner Oase nach Hollywood!"
Gegen 18.30 Uhr verlasse ich mit den Kindern das Festivalgelände und fühle mich wohl und mental sehr gut. Auf dem Heimweg reflektiere ich, dass es gut war viele Stunden vor Ort zu sein und nicht nur eine Runde übers Gelände zu ziehen. Es konnte sich ein Gefühl von "Dorfgemeinschaft" in mir ausbreiten und das ist genau das, wonach ich mich seit vielen Jahren sehne, vor allem, nachdem ich 10 Jahre in der Großstadt Berlin verbracht habe. Seitdem ich Kinder habe und wieder in meiner Heimat Brandenburg an der Havel zurück bin, denke und fühle ich ganz oft: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!" Die Mama in mir konnte sich beim heimwerts-Kleinkunstfestival einfach mal so richtig entspannen, weil dieses Dorf für dieses Wochenende da war.
Meine beiden Kinder spiegeln mir diese Gefühle auch. Schon kurz nach dem Aufstehen am Sonntag fragt mein Sohn "Mama, wann gehen wir wieder zu diesem Festival???" An diesem Tag zeigt der frühe Herbst nochmal seine Schokoladenseite und verwöhnt uns mit viel Sonne. Das Festival ist wieder sehr gut besucht und zeigt den Trend, den ich schon länger beobachte: immer mehr Menschen kommen in die Region und zu solchen kleinen Festivals, weil es sich nach Heimat und einer Gemeinschaft anfühlt, die wir dringend brauchen, um mental gesund zu sein.
Mehr zum Festival: [
hEimWerTs - Kleinkunstfestival].