Logo

Leserbrief: Der Schöppenstuhl zu Brandenburg (Havel)

Leserbriefe
  • Erstellt: 12.03.2025 / 20:01 Uhr von Reiner Heublein
Wenn in alter Zeit Gericht gehalten wurde, dann mussten alle freien Männer an der Dingstätte (unsere Vorfahren kamen unter den Linden und Eichen ihrer Dingstätten zusammen) erscheinen, um das Urteil zu finden. Mit der Zeit wurde diese „Gerichtsbarkeit“ außerordentlich drückend, wenn dies gerade in der arbeitsreichen Erntezeit geschah. Karl der Große befreite die Allgemeinheit vom außerordentlichen oder gebotenen Ding und verpflichtet die Männer nur noch drei Mal im Jahr. Dafür betreute er wohlhabende und Männer auf Lebenszeit mit einem Ehrenamt, für die Bevölkerung Recht zu schöppen. Das waren die Schöppen (Männer, die aus dem Recht „schöppen“ (schöpfen). Der oberste Gerichtsherr war der Kaiser, in seinem Auftrag führte in Gau- und Sendgraf den Vorsitz in der Gerichtsverhandlung.
Anzeige

In einem alten Dokument Brandenburgs war auch zu lesen, dass das „platte Land“ seine eigenen Gerichte hatte und auch eine höchste Dingstatt. – "Die Klinke“. (Machtzentrum des Stammesverbandes der Stodorani (Heveller)). Sie soll sich auf einer Landzunge am Riewendsee befunden haben. Im 14. Jahrhundert übernahmen die Schöppen Brandenburgs auch die Rechte der Klinke.

Als dann im Mittelalter die Landefürsten die kaiserliche Gewalt immer mehr missachteten, machte sich auch die Rechtsprechung selbständig und unabhängig. Auch die Markgrafen von Brandenburg waren eifrig bestrebt, ihre Hauptstatt zum Mittelpunkt der Rechtsprechung zu machen. Sie richteten dann nach dem Brandenburgischen Recht. Es gab auch das Magdeburgische, das Stendalische Recht. Kurzum die in dieser Zeit vorherrschende Rechtsprechung war zersplittert.

Brandenburg erhielt 1232 von der Hauptstadt des Deutschen Ostens Magdeburg sein Stadtrecht. 1232 wurden erstmals die nachweisbaren Schöppenstühle der Alt- und Neustadt Brandenburg (Havel) beschrieben. Während der Teilung der Märkischen Lander (1258-1317) - Die Havel war die Grenze – bildete sich in der Neustadt vorübergehend ein eigener Schöppenstuhl, aber noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wuchsen die beiden Gerichtshöfe wieder zusammen.

In Streitfällen konnten sich die Städte des brandenburgischen Rechtskreises von dort Rechtsauskunft holen, der Oberhof hatte jedoch keine Gerichtsgewalt in der anfragenden Stadt. Die Schöppen traten seit 1432 als einheitliches Kollegium auf, das 1527 durch die Constitutio Joachimica (CONSTITVTION, Wilko*er / vnd ordnung der Erbfelle / vnd anderer sachen / wie damit durch die gantzen marck zu Brandenburg / vnd darzu geho*erenden landen / hinfu*er sol gehalten werden.) bestätigt wurde und bis zum Jahre 1817 bestand. Die Tätigkeit erstreckte sich über Rechtsprechung auf Erbfälle und das ganze Strafrecht (Brandstiftung, Diebstähle, Mord…).

Es setzte sich personell aus (zumeist sieben) Schöffen der Alt- und Neustadt Brandenburg zusammen und hatte seinen Sitz an der langen Havelbrücke. In einer Urkunde von 1348 wird in einer Urkunde ein Gebäude erwähnt, das zwischen beiden Städten in der Havel seitlich der Langen Brücke stand. Gemeint war das Schöppenstuhlhaus. Es war ein turmartiger Bau, bestehend aus zwei Stockwerken und mit einem Satteldach versehen. Die eine oder andere Beschreibung dieses Gebäudes beschreibt zwei große und mehrere kleine Räume. Als das Haus nach zwei Jahrhunderten baufällig geworden war, ließen die beiden Städte es abreißen und bauten es neu auf. Am 17. Mai 1700 gab es so einen Sturm, der den Turm umstürzte.

Aber zurück zum Schöppenstuhl. Sie tagten bis zum Einsturz auf der Grenze zwischen beiden Städten in einem auf Pfählen errichteten Schöppenhaus mitten in der Havel, später abwechselnd in der Neustadt und der Altstadt in den Stuben des Akzisehauses und Packhofes.

Friedrich Grassow datierte in seinen Führer durch die Chur- und Hauptstadt (1933) die offizielle Gründung auf das Jahr 1348. Interessant ist auch der Wirkungskreis des Schöppenstuhls. Dank des sehr hohen Ansehens wurde der Gerichtshof auch aus dem Ausland angerufen, teils aus dem Schwedischen Machtbereich bis nach Polen. Selbst Könige haben sich seinem Spruch gebeugt. Im 16. Jahrhundert wurde die Anfrage beim Brandenburger Schöppenstuhl in peinlichen Strafsachen im Gebiet der Mark Brandenburg allen Untergerichten zur Pflicht gemacht.

Jedes Todesurteil und jedes Urteil auf Zulassung der Folter hatte von Brandenburg auszugehen. Aber die Brandenburger Schöppen sind aber auch Kinder ihrer Zeit gewesen. Von 1530-1730 gab es über 700 Hexenprozesse. Im Vergleich zu 1530-1620 waren es 30 Fälle. Otto Tschirch beschreibt in seinem Buch zur Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel im Teil2 im Abschnitt V „Stadtgericht und Schöppenstuhl“ sehr ausführlich einige typische Urteile dieser bewegten schlimmen Zeit. Urteile waren in dieser Zeit laut den Randbemerkungen der Schöppenschreiber; Zum Feuer, zum Strang, mit dem Schwert vom Leben zum Tod, den Raben übergeben.

1536 kaufte die Altstadt und 1565 die Neustadt die Untergerichte von den früheren Lehnsinhabern auf und machte damit dem jahrhundertelang dauernden Streit über die Befugnisse des belehnten Richters und des städtischen Polizeirichters ein Ende. 1570 hat die Altstadt es erreicht, dass sämtliche Schöffen für ihr Amt auf der Universität vorgebildet waren. Richter im Schöffengericht war der älteste Schöffe. Das Amt des städtischen Polizeirichters wurde, wie die übrigen Ratsämter auch, von einem Ratsmann verwaltet. Auch dieser hatte eine Universität besucht und verwaltet sein Amt mehrere Jahre hintereinander.

Aus dem vorkommenden Titel Oberrichter kann man vielleicht entnehmen, dass die Neustadt zwei Richter, einen für das Ober- und das Untergericht hatte. 1583 musste das Schöffengericht der Neustadt den Kurfürsten bitten, ihm gegen die Bürger beizustehen, die den Gericht Ungerechtigkeit vorwarfen und die Ehrenschänder zu bestrafen. Die Beschwerden von 1596 und 1598 belegen, dass es die Richter in dieser Zeit nicht leicht hatten Recht zu sprechen. Die Bürger warfen dem Rat Rechtsbeugung vor.

1609 wandte sich der Rat von neuem an den Kurfürsten, da er sein recht gegenüber den Bürgern nicht durchsetzen konnte und bat nochmals zu bestimmen, dass das Kammergericht nur als Berufungsgericht gelten sollte. So kam die Gerichtsbarkeit mehr und mehr ins Wanken. Seit dem 17. Jahrhundert ging die Bedeutung des Schöppenstuhls infolge wachsender Konkurrenz der Juristenfakultäten einerseits und staatlicher Regulierung der Rechtspflege andererseits (Kriminalordnung von 1717) zurück und verkümmerte seit Mitte des 18. Jahrhundert völlig. Am 29. 08.1811 erfolgte die Aufhebung des Schöppenstuhls durch eine Verfügung des Staatskanzlers Hardenberg. Im Jahre 1819 wurde das Stadt- und Landgericht in Brandenburg gegründet, welches bis 1863 im Altstädtischen Rathaus untergebracht war.

Die Tätigkeit des Schöppenstuhls ist durch eine chronologische Serie der Schöppensprüche von 1432-1799 umfangreich dokumentiert. Die Unterlagen befinden sich nicht mehr in Brandenburg an der Havel, sie liegen in der Deutschen Staatbibliothek in Berlin. Bis Anfang der 20iger Jahre lagen die Unterlagen noch in der Steinstraße im Amtsgerichtsgebäude, später dann im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin.


Bitte beachten: Meldungen in der Rubrik "Leserbriefe" geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sie sind ein persönlicher Text des jeweiligen Verfassers. Einsendungen sind unter [info@meetingpoint-brandenburg.de] möglich.

Bilder

Brandenburg um 1590, Grasow 1928_1000 Jahre BRB
Ehebrecherturm, ehemals Hammersches Haus, Hauptstraße 28, BR Heublein
Galgen auf dem Wasenberg, Grasow, Kulturspiegel 1961
Standort Galgen Neustadt, Stadtplan Heffter, Staatsbibliothek Berlin
Dieser Artikel wurde bereits 2.164 mal aufgerufen.

Werbung