Am Freitagabend des 14. März luden das WirtschaftsForum Brandenburg und Pro Brandenburg zu einem Gesprächsforum ein mit dem Titel: „Wie weiter, Europa? Im historischen Casino-Saal der Garde du Corps in Potsdam, im heutigen Energie-Carrèe auf dem Gelände der E.DIS AG, wurden rund 80 Gäste Zeuge einer beeindruckenden Diskussionskultur zwischen Jean Asselborn, dem ehemaligen Außenminister (2004 bis 2023) von Luxemburg, und Günter Verheugen, der viele Jahre EU-Kommissar war.
Zunächst begrüßte Vorstandsmitglied der E.DIS AG Jürgen Schütt als Hausherr die Gäste. Unter ihnen auch der Brandenburger Wirtschaftsminister Daniel Keller, der ein Grußwort der Landesregierung überbrachte. Als Präsident des WirtschaftsForum Brandenburg begrüßte auch Carsten Christ das Publikum.
Die Diskutanten Jean Asselborn, geboren 1949 in Steinfurt, war nicht nur Außenminister bis 2023, sondern auch seit 2014 Minister für Immigration und Asyl. Bis Dezember 2013 war er außerdem Vize-Premierminister von Luxemburg.
Günter Verheugen, geboren 1944 in Bad Kreuznach, war ab 1983 Bundestagsabgeordneter. 1999 war er als EU-Kommissar in der Kommission unter Romano Prodi für die EU-Erweiterung zuständig, von 2004 bis 2010 dann in der Kommission von Jose Manuel Barroso für die Industriepolitik der EU zuständig.
Die Diskussion Die beiden Altvorderen erläuterten ihre Sicht der Dinge, die im Ziel übereinstimmte, in der Wahl der Mittel jedoch voneinander abweichte.
Mit Expertise in Geschichte, Kultur und Politik zeigten die beiden Politiker, dass grundlegende Kenntnisse für die Beurteilung von Zusammenhängen unabdingbar sind.
Zum Ukrainekonflikt Die Osterweiterung der EU ist nicht das Problem, vielmehr sei es die Osterweiterung der NATO, so Günter Verheugen. Die Europäer sollten alles dafür tun, dass Frieden entsteht, bspw. mit einem Waffenstillstand, um sodann eine politische Lösung zu finden, so Verheugen weiter.
Auch Jean Asselborn erinnerte daran, dass noch 2005 Rußland als strategischer Partner für Europa angesehen und verschiedene Kooperationen vorangetrieben wurden. 2010 hätten noch NATO-Truppenpanzer an den Militär-Paraden in Moskau teilgenommen, führte er aus. Daher solle man alles dafür tun, dass das Verhältnis zwischen Rußland und Europa wieder besser wird.
Verheugen wies ferner darauf hin, dass der Krieg eigentlich schon seit 2014 existent sei und nicht erst seit 2022 und verwies in dem Zusammenhang auf die Anti-Terror-Operation in der Ukraine durch die USA. Alles hätte eben eine Vorgeschichte und nur unter deren Berücksichtigung ist der aktuelle Konflikt zu verstehen. Einseitige Schuldzuweisungen seien nicht sinnvoll, zumal Putin für Kooperation und nicht für Konfrontation stünde.
Jean Asselborn meinte ebenfalls, dass Europa helfen solle, dass es zu einer Waffenruhe kommt, denn das Sterben müsse gestoppt werden. Aber wie solle man rational handeln, wenn es mit Putin und Trump zwei Präsidenten gäbe, die glauben, dass sie von Gott geschickt worden sind, um das jeweilige Land zu retten, fragte der Luxemburger.
Zur wirtschaftlichen Entwicklung Abschließend ging es an diesem Abend auch um die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Verheugen warnte vor der gigantischen Neuverschuldung in Deutschland. Denn wenn das deutsche Beispiel Schule mache, dann wollen das alle anderen Länder auch. Und das würde dann über kurz oder lang in einer Zins- und Währungskrise enden.
Jean Asselborn stellte fest, dass in Sachen Forschung und Entwicklung, insbesondere in der Digitalität, die EU schon lange abgehängt sei, und zwar von USA und China. „Wir versinken in der Bedeutungslosigkeit“, so der Luxemburger.
Und wegen der Handelskriege mit den zwei großen amerikanischen und asiatischen Volkswirtschaften, erwarten beide Staatsmänner einen Abwärtssog für Europa.
Günter Verheugen brachte es auf den Punkt. Seit 25 Jahren gäbe es keine neuen wirtschaftspolitischen Impulse mehr, es ginge immer nur um Bürokratieabbau und Wettbewerbsverbesserung. Aber real hätten sich beide Tatbestände verschlechtert: „Der Bürokratismusabbau verursacht mehr Bürokratie als zuvor.“
Und daher müsse ein Politikwechsel in der EU in Gang gesetzt werden. Verheugen erinnerte in dem Zusammenhang an Kennedy und Gorbatschow, denen dies im Rahmen der Weltpolitik einst gelungen sei.