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Plötzlich Mitbewohner: Warum Enten auf unseren Balkonen brüten

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 05.07.2025 / 08:01 Uhr von Antonia Wünschmann
In Brandenburg an der Havel sorgt aktuell eine ungewöhnliche Entenfamilie für Aufsehen: Eine Stockente hat auf einem Balkon im Kräuterbeet gebrütet, ihre Küken schlüpften – und gemeinsam mit der Mutter machten sie sich auf den Weg durch Wohnung, Treppenhaus und Innenstadt bis ans Wasser am Heine-Ufer. Unter der Jahrtausendbrücke hüpfte die Entenfamilie dann ins Wasser. Solche Szenen werden in deutschen Städten immer häufiger beobachtet. Was steckt dahinter? Im Interview erläutert Manfred Pohl vom NABU Brandenburg die Hintergründe und gibt Einblicke in das Verhalten der Tiere.
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“Die Enten suchen sich zunehmend Nischen in der Stadt, weil am Boden die Gefahr durch Prädatoren wie Waschbären, Füchse oder Krähen massiv gestiegen ist”, erklärt Manfred Pohl. Besonders Waschbären hätten sich in den letzten Jahren stark vermehrt und gelten inzwischen als schlimmste Feinde der Enten. “Die suchen alles ab – an Flüssen, an Seen. Da bleibt kaum ein Nest verschont.” Die Folge: Enten weichen auf höher gelegene und schwer zugängliche Orte aus. “Balkone sind für sie ein sicherer Rückzugsort. Da kommt kein Waschbär hin, kein Fuchs, und auch Krähen haben es schwer.”

Das Verhalten der Enten ist dabei keineswegs Zufall, sondern eine bewusste Strategie. “Man kann sagen: Indem Enten auf unseren Balkonen brüten, schützen sie sich ein Stück weit vor der Waschbärenplage, die wir gerade haben”, so Pohl. Nicht jeder Mensch freut sich über tierische Untermieter, aber viele beobachten das Schauspiel mit Freude – und manchmal entsteht sogar eine Art stilles Einvernehmen zwischen Mensch und Ente.

Doch was tun, wenn plötzlich eine Ente auf dem eigenen Balkon brütet? “Wichtig ist, das Nest nicht zu stören. Die Tiere und ihre Gelege sind gesetzlich geschützt”, betont Pohl. Wer das Brüten duldet, kann ein einzigartiges Naturschauspiel erleben. Nach dem Schlüpfen der Küken führt die Mutter ihren Nachwuchs möglichst schnell zum Wasser. “Das ist für die Kleinen ein gefährlicher Weg, besonders in der Stadt. Straßen und Treppen können zur Falle werden.” In solchen Fällen empfiehlt Pohl, sich an den NABU oder die örtliche Tierrettung zu wenden: “Fachleute können Mutter und Küken behutsam einfangen und gemeinsam ans Wasser bringen.”

Dass Entenküken aus mehreren Stockwerken springen, ist für Pohl kein Grund zur Sorge: “Stockenten sind Nestflüchter. Die Küken verlassen das Nest wenige Stunden nach dem Schlüpfen und folgen der Mutter. Sie springen auch aus großen Höhen – das ist von der Natur so eingerichtet.” Dennoch sei der Sprung auf harten Untergrund riskant, weshalb ein behutsames Eingreifen manchmal notwendig ist.

Nicht aus allen Eiern schlüpfen Küken. “Oft bleiben einige unbefruchtet zurück. Die Entenmutter lässt diese einfach im Nest, wenn sie mit den geschlüpften Jungen zum Wasser aufbricht”, erklärt Pohl. Die Natur habe es so eingerichtet, dass alle Küken zeitgleich schlüpfen, um gemeinsam den gefährlichen Weg ins neue Leben anzutreten.

Das Phänomen der Balkonbrüter zeigt, wie anpassungsfähig Stockenten sind und wie sich das städtische Leben auf die Tierwelt auswirkt. “Wer einer Ente das Brüten auf dem Balkon gestattet, hilft ihr, den Nachwuchs vor Fressfeinden zu schützen”, fasst Pohl zusammen. Mit etwas Geduld, Respekt und gegebenenfalls Unterstützung von Naturschutzorganisationen wird aus dem Balkon ein sicherer Hafen.

Wer ein Video davon sehen will, wie die Entenfamilie durch Brandenburgs Innenstadt zum Wasser watschelt, der schaut auf unserem Instagram-Account vorbei: [@meetingpoint_brb].

Bilder

Foto: privat
Foto: privat
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