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Julia Zureck (parteilos): Mut zur Ehrlichkeit - Stillstand erkennt man nicht erst, wenn alles stehenbleibt

Politik
  • Erstellt: 28.10.2025 / 17:30 Uhr von Stadtpolitik
In Bezug auf den Leserbrief [Die neuen „Suppen-Kasper“] hat OB-Kandidatin Julia Zureck (parteilos) folgende Erklärung veröffentlicht: "Brandenburg an der Havel spricht gern von Fortschritt, von Entwicklung, von Zukunft. Doch wer genauer hinschaut, sieht eine Stadt, die seit Jahren im eigenen Tempo verharrt – und sich dieses Verharren schönredet. Zwischen politischen Schlagworten und verwaltungstechnischer Selbstzufriedenheit ist der Mut zur ehrlichen Bestandsaufnahme verloren gegangen."
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Weiter heißt es: "Es ist bequem, Stillstand mit ‘Prozess’ zu verwechseln. Bequem, Verantwortung hinter Fachverfahren und Zuständigkeiten zu verstecken. Aber Entwicklung entsteht nicht durch das ständige Wiederholen großer Worte, sondern durch Entscheidungen – mutige, ehrliche, manchmal auch unbequeme. Wenn man acht Jahre lang denselben Boden betritt, darf man sich nicht wundern, dass kein neuer wächst.

1. Bürgerengagement ist kein Trotz, sondern Verantwortung.
Wenn Bürgerinnen und Bürger, Initiativen oder Vereine Bedenken gegen Projekte äußern, dann tun sie das nicht aus Prinzip, sondern weil sie Verantwortung übernehmen – für Umwelt, Lebensqualität und eine nachhaltige Stadtentwicklung. Demokratie lebt vom Widerspruch, nicht von blindem Abnicken. Wer jeden Einwand als „Suppen-Kasper- Verhalten“ abtut, verkennt, dass Fortschritt auch bedeutet, Risiken und Folgen kritisch zu prüfen.

2. Die Kritik an der Industrievorhaltefläche ist berechtigt.
Die geplante Fläche zwischen Schmerzke und Paterdamm betrifft ein sensibles Landschaftsgebiet mit geschützter Flora und Fauna. Es geht hier nicht darum, Wirtschaft zu verhindern, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen für den Raum, in dem wir leben.

Ich bin absolut für Industrie- und Gewerbeflächen, für Wachstum und Stabilität. Aber schaut man nur einen Kilometer Luftlinie weiter, sieht man ein halb leeres Industriegebiet, das seit Jahren nicht weiterentwickelt wird. Bevor neue Flächen versiegelt werden, sollte man die vorhandenen Areale gezielt stärken und nutzen. Es wirkt widersprüchlich, auf die Suche nach neuen Investoren zu gehen, während man die bestehenden Unternehmen der Stadt vernachlässigt.

Nachhaltige Stadtentwicklung heißt, Potenziale zu nutzen, bevor man neue schafft – und dabei Natur, Wirtschaft und Bürgerinteressen in Einklang zu bringen.

3. Auch Behörden sind nicht unfehlbar.
Im Fall der Plane-Brücke ist es Aufgabe der Deutschen Bahn, die Sicherheit ihrer Bahnübergänge zu gewährleisten. Wenn zusätzliche Gutachten oder Prüfungen gefordert werden, dann geschieht das nicht aus Lust an der Verzögerung, sondern aus rechtlicher und technischer Verantwortung. Schließlich haftet am Ende die Bahn für jeden Zwischenfall, nicht das städtische Tiefbauamt.

Dass die Stadt in Rekordzeit ein Projekt umsetzt, ist lobenswert – ersetzt aber keine unabhängige Sicherheitsprüfung. Es wäre fahrlässig, Sicherheitsstandards zugunsten von Geschwindigkeit zu ignorieren. Der öffentliche Druck darf keine Grundlage für technische Entscheidungen sein.

Gleichzeitig gehört zur Ehrlichkeit im Verwaltungs- und Planungsprozess auch, zu eigenen Versäumnissen zu stehen. Wenn in der Planung oder Umsetzung Fehler passiert sind, sollte man das offen benennen. Nur so kann man Vertrauen schaffen und aus den Erfahrungen lernen – anstatt Schuld auf andere Institutionen zu schieben. Fehler sind menschlich, das Leugnen derselben ist politisch gefährlich.

4. Fortschritt braucht Dialog, nicht Spott.
Wer Bürgerdialog und demokratische Beteiligung als ‘Suppen-Kasper-Syndrom’ verspottet, trägt nicht zur Lösung bei, sondern spaltet. Brandenburg an der Havel braucht Mut zur Diskussion, Respekt vor unterschiedlichen Perspektiven und eine ehrliche Abwägung von Interessen – nicht den moralischen Zeigefinger.

Echte Stärke zeigt sich nicht darin, Kritik lächerlich zu machen, sondern sie ernst zu nehmen. Denn Zukunft entsteht nicht durch Schnellschüsse, sondern durch verantwortliches Handeln – gemeinsam, nicht gegeneinander.

5. Entwicklung braucht mehr als Worte.
Wenn im Leserbrief von der ‘Entwicklung unserer Stadt’ gesprochen wird, sollte man auch ehrlich fragen dürfen, wo diese Entwicklung in den letzten acht Jahren eigentlich stattgefunden hat. Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger erleben den Stillstand tagtäglich – in maroden Straßen, geschlossenen Geschäften und fehlenden Perspektiven für junge Menschen.

Selbst aus den Reihen der Verwaltung ist zu hören, dass man Entscheidungsspielräume kaum noch nutzt, sondern sich lieber hinter einem klaren ‘Nein’ verschanzt. Mut zum Gestalten ist durch Angst vor Verantwortung ersetzt worden. Wer also den Bürgern vorwirft, sie würden Veränderungen blockieren, sollte zuerst in den eigenen Reihen prüfen, wo der Gestaltungswille geblieben ist.

'Wo ist diese vielbeschworene Entwicklung, wenn man jahrelang lieber abwartet als anpackt?'"


Hinweis: Politische Pressemitteilungen gibt der Meetingpoint als Komplettzitate wieder; unsere Leser sollen sich eine eigene Meinung zu den Äußerungen unserer Politiker machen - ohne wertende Meinungen der Redaktion. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den zitierten Inhalten/Aussagen und macht sie sich nicht zu eigen.
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